OMAS GEGEN RECHTS Kassel
Kassel, 03.12.2025
Offener Brief
GEAS-Anpassungsgesetz: Kein Abbau
von Menschenrechten im Namen Europas
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
wir, die unterzeichnenden Organisationen, wenden uns mit großer Sorge an Sie:
Bitte stimmen Sie dem GEAS-Anpassungsgesetz nicht in der Fassung des Kabinettsentwurfs zu!
Mit dem „Gesetz zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS)“ droht Deutschland, Schutzstandards massiv abzusenken – deutlich über das hinaus, was die EU überhaupt verlangt. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass bei der Umsetzung der EU-Vorgaben in deutsches Recht die Menschenrechte aller betroffenen Menschen gewahrt und ihre Würde nicht verletzt wird.
Die bisher geplante Verfahrensausgestaltung durch die deutsche Bundesregierung gefährdet Menschenrechte und Menschenwürde und zerstört die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats:
1. Übererfüllung der EU-Vorgaben – auf Kosten der Grundrechte
Das geplante deutsche GEAS-Anpassungsgesetz führt nationale Verschärfungen ein, die weit über die Forderungen der EU hinausgehen. So warnt etwa das Deutsche Institut für Menschenrechte ausdrücklich, dass der Entwurf „empfindliche Eingriffe in die Grundrechte“ (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 GG) vorsieht. Auch Organisationen wie Pro Asyl, der Deutsche Juristinnenbund, der Paritätische Gesamtverband, der Sachverständigenrat für Integration und Migration und der Deutsche Anwaltverein haben erhebliche verfassungs- und menschenrechtliche Bedenken geäußert.
2. Freiheitsentzug durch geschlossene Zentren – auch für Kinder
Der Gesetzentwurf sieht die Einrichtung geschlossener „Sekundärmigrationszentren“ vor, in denen Menschen bis zu 24 Monate – Familien mit Kindern bis zu 12 Monate – festgehalten werden können. Dies bedeutet Freiheitsentzug ohne richterlichen Beschluss!
Dass auch Minderjährige betroffen sein können, widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), zu denen sich die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat bekannt hat. Artikel 5 der AEMR verbietet eindeutig erniedrigende oder entwürdigende Behandlung.
Darüber hinaus belegen Studien, dass solche Haftbedingungen schwere psychische und soziale Folgen haben – insbesondere für Kinder und traumatisierte Personen.
3. Aushöhlung parlamentarischer Kontrolle
Künftig soll die Bundesregierung per Verordnung über die Einstufung sogenannter „sicherer Herkunfts- und Drittstaaten“ entscheiden können – ohne Zustimmung des Bundestages. Damit würde die Exekutive ohne jegliche demokratische Kontrolle über Asylzugänge entscheiden.
Wir warnen vor einem gefährlichen Präzedenzfall: Der Bundestag darf seine Verantwortung für Grundrechte und Asylrecht nicht an die Regierung abgeben.
4. Fehlende Schutzmechanismen für besonders verletzliche Personen
Der Entwurf vernachlässigt zentrale Schutzgarantien für vulnerable Gruppen. Regelungen zum Gewaltschutz, zu kindgerechten Beschwerdeverfahren oder zu den Rechten von Frauen, LSBTIQ+-Personen und Menschen mit Behinderung bleiben unverbindlich.
Gleichzeitig soll der Zugang zu rechtlicher Beratung in geschlossenen Einrichtungen eingeschränkt werden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert zu Recht, diese Beschränkung zu streichen – sonst droht ein Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz.
5. Abschreckung statt Schutz – ein politischer Irrweg
Die Stoßrichtung des Gesetzes ist klar: schnellere Abschiebungen, Leistungskürzungen, Freiheitsbeschränkungen sollen Menschen abschrecken, zu uns zu kommen.
Aber eine immer brutalere Abschottung, die die zentrale Wertebasis unserer Gesellschaft
für Migrantinnen und Migranten nicht mehr gelten lassen will, schadet nicht nur jedem
einzelnen unmittelbar betroffenen Menschen – sondern auch der Basis des Zusammenlebens
in unserem Land.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten aus der deutschen Geschichte gelernt, dass der Schutz von Verfolgten keine Gnade sein darf, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot sein muss. Das Asylrecht darf nicht zu einem Instrument politischer Symbolik werden!
Unsere Forderungen
Wir appellieren an Sie, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden:
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Begrenzen Sie die nationale Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf das EU-rechtlich zwingend Erforderliche.
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Schließen Sie Freiheitsentzug und Ausgangsbeschränkungen für Schutzsuchende – insbesondere für Kinder – aus.
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Sichern Sie das parlamentarische Mitspracherecht: Keine Einstufung „sicherer Staaten“ ohne Bundestagsbeschluss.
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Stärken Sie den Rechtsschutz für Asyl suchende Menschen und die unabhängige Kontrolle geschlossener Einrichtungen.
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Bewahren Sie die humanitären und rechtsstaatlichen Prinzipien des Asylrechts.
Wenn unser Land beginnt, Menschen hinter Zäune zu sperren, die Schutz suchen, wird das Folgen für den gesamten europäischen Menschenrechtsschutz haben. Wir bitten Sie: Verweigern Sie Ihre Zustimmung zum GEAS-Anpassungsgesetz in der von der Bundesregierung vorgelegten Form.
Setzen Sie sich ein für Humanität, für Rechtsstaatlichkeit, für die Würde des Menschen.
Mit freundlichen Grüßen
OMAS GEGEN RECHTS Kassel
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