OMAS GEGEN RECHTS DEUTSCHLAND-BÜNDNIS

Gestern habe ich zum ersten Mal was von den „Allesdichtmachen“ Videos gehört…

Gestern habe ich zum ersten Mal was von den „Allesdichtmachen“ Videos gehört, ein paar empörte Kommentare in einer WhatsApp Gruppe. Erstmal habe ich mir nicht viel dabei gedacht; in dieser Zeit von Dünnhäutigkeit, gegenseitigem Misstrauen und allgemeiner nervlicher Erschöpfung entsteht Empörung schnell. Schauspieler*innen, die die Corona Maßnahmen kritisieren? Klar, dachte ich, absolut nachvollziehbar; immerhin ist die Kulturbranche ja in der Tat heftig betroffen. Und ja, genervt bin ich auch manchmal – wenn ich mir auf 12 Minuten Busfahrt 3 mal die immer gleiche Ansage mit der medizinischen Maske anhören muss, wenn mich jeden Abend Jens Spahn ermahnt, meine seit einem Jahr auf ein Minimum reduzierten Kontakte noch weiter einzuschränken, wenn ich jeden Morgen in der Zeitung lese, dass meine Prioritätsgruppe sich noch nicht um einen Impftermin per Zufallsgenerator bemühen darf ….. Also, einfach mal schauen, was die vertrauten Figuren aus dem Sonntags-Tatort oder anderen Fernsehproduktionen so zu sagen haben….

Einige sind mir ganz besonders sauer aufgestoßen: Felix Klare, zum Beispiel, der meint, er müsste seine Kinder jetzt den Vorstellungen seines Urgroßvaters entsprechend zu „Disziplin und Hygiene“ erziehen – wie wär’s denn mit Solidarität und Rücksichtnahme? Auch ein schönes, zeitgemäßes Erziehungsziel, Herr Klare, und dabei können Ihre Kleinen sogar sitzenbleiben, wenn Sie den Raum betreten.

Oder Meret Becker – eine wirklich gute Schauspielerin, die uns weismachen will, ihr stünde, um mit ihrem Gegenüber in freundlichen Kontakt zu treten, nur die Mimik ihrer unteren Gesichtshälfte zur Verfügung. Und so müsse sie sich in ihrer Natur völlig einschränken, nur um andere nicht anzustecken. Der geschmacklose Auftritt von Richie Müller wiederum wird besonders die freuen, die schon einmal mit echter Luftnot oder gar künstlicher Beatmung konfrontiert waren. Dazu noch Ulrich Tukur, der mit Hilfe von Rilke dem Pöbel klarmachen will, dass ohnehin alle sterben müssen, und dass Schutzmaßnahmen daher keinen Sinn machen? Nicht nur der Tod ist groß, Herr Tukur, sondern auch die menschliche Dummheit!

Nun gut, ich glaube allen Beteiligten , dass sie in irgendeiner Form betroffen sind. Und dass selbst eine berechtigte Protestaktion auch mal in die Hose gehen kann – geschenkt!

Aber wisst Ihr, was ich richtig Scheiße von Euch finde? Mit keinem einzigen Wort erwähnt auch nur eine*r von Euch die Situation Eurer Kolleg*innen, die sich mit weniger „Marktwert“ von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, von Gig zu Gig darben müssen, die womöglich auch noch ihre prekären Nebenjobs in der Gastronomie verloren haben oder gerade ihre Altersvorsorge verbrauchen, ohne ernsthafte Aussicht, diese jemals wieder aufstocken zu können. Kein Wort über die, die sich seit mehr als einem Jahr sonstwas aufreißen, um Leben zu retten, kein Wort zu denen, die nicht nach ihrem Wohlbefinden gefragt werden, wenn sie jeden Tag am Steuer des Busses oder an der Supermarktkasse sitzen.

Und hier liegt die zentrale Aussage im Nichtgesagten, nämlich im Fehlen von Empathie und Solidarität. Und deswegen muss Euch niemand in die Ecke der Querdenker stellen: Ihr habt Euch selbst sehenden Auges dort hinein begeben. Da hilft auch ein noch schnell hinterher geworfenes „FCKNZS“ nicht mehr.

Einige von Euch haben ihre Videos wieder aus dem Netz genommen – ob vor Schreck oder aus später Einsicht? –

Egal: Die Chance, Eure Popularität und Eure Bekanntheit in die Waagschale zu werfen und solidarisch Hilfe und Sicherheit für die zu fordern, die in der prekären Zone Eures Metiers arbeiten müssen, die Chance habt Ihr hiermit grandios und für immer vergeigt.

Marion aus Kiel

 

Für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht aller Frauen: OMAs gegen die §§ 218/219

Der § 218 wurde 1871 in das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches aufgenommen. Seitdem kämpfen Frauen und fortschrittliche Kräfte für seine Abschaffung (siehe hier). Viele ältere OMAs gegen Rechts waren als Jugendliche oder junge Frauen im Gefolge der Studierendenbewegung an den wütenden Protesten gegen diesen Paragraphen beteiligt, der die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen beschneidet.

Die Geschichte des s § 219a ist wesentlich kürzer. 

„Dieses kleine, schmutzige Anhängsel an den §218 wurde nämlich erst 1933, unmittelbar mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland, dem § 218 angefügt. Man machte sich als Ärztin oder Arzt seitdem strafbar, wenn man öffentlich eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung von Schwangerschaftsabbrüchen anbot“. (Bernt Hontschik, Frankfurter Rundschau vom 17.1.21 )

Auch damit setzten die Nazis ihre faschistische Bevölkerungspolitik durch, die auf der einen Seite deutsche Frauen mit dem Mutterkreuz belohnte, auf der anderen Seite aber Zwangssterilisationen und Euthanasie-Programme bis hin zur Ermordung von Millionen von Menschen beinhaltete.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hörte  man nichts mehr von diesem Paragraphen. Inzwischen haben sich jedoch „Lebensschützer*innen“ auf den Weg gemacht, um generell Abtreibungen zu verteufeln und Frauen davon abzuhalten. Einige davon zeigten Ärzt*innen an, die über die angewendeten Methoden des Schwangerschaftsabbruchs informierten. Die bekannteste ist unsere OMA gegen Rechts, Kristina Hänel (Gießen), die sich seit 2009 mit Ermittlungsverfahren auseinandersetzen muss.

Die Informationen auf ihrer Website wurden als illegale Werbung bezeichnet. 2017 wurde Kristina Hänel vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie ging in Revision, der Rechtsstreit zog sich hin. Ebenfalls in 2017 startete sie eine Petition, um öffentlich Unterstützung zu erhalten. Einmal wurde das Urteil aufgehoben und das Verfahren wieder nach Gießen zurück verwiesen, das letzte Mal wurde sie vom Landgericht Gießen dann erneut verurteilt. Nun, im Januar 2021, legt sie, wie auch andere betroffene Ärzt*innen, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Das alles kostet Geld, viel Geld, und wer unsere Stellvertreterinnen vor Gericht unterstützen will, kann das tun: Pro Choice

Die Anzeigen, die Ermittlungsverfahren und die Kampagnen der Abtreibungsgegner*innen gehören in das Repertoire des Rechtsextremismus. Ein radikaler Abtreibungsgegner hat Abtreibungen sogar mit dem Holocaust verglichen. Den Prozess gewann Kristina Hänel, aber es bleibt für sie und alle anderen, die sich für die sexuelle Selbstbestimmung einsetzen, ein Risiko: Sie werden bedroht. Als sie die erste Mail mit rechtsradikalem Inhalt und Todesdrohung erhielt, war für sie klar: Es gab keine Alternative, als die Angriffe öffentlich zu machen. (Siehe dazu die TAZ)

Die Aktionen der Abtreibungsgegner*innen machen Angst. Viele Ärzt*innen wagen es nicht mehr, anzugeben, dass sie Abtreibungen durchführen. Und keine*r von ihnen darf überhaupt die notwendigen Informationen für betroffene Frauen veröffentlichen. Dies führt zu einer neuen Notlage dieser Frauen. Und es sind die Armen, die die entsprechenden Informationen zu spät oder gar nicht erhalten, auch auf diesen Klassenaspekt weist Kristina im Interview hin. 

Ein Glück: Andere Websites haben jetzt die Informationen zu den Methoden des Schwangerschaftsabbruchs übernommen. So kann sich jede Frau, die es will und braucht, selbst ein Bild machen. Damit OMAs ihren (Schwieger-)Töchtern und Enkelinnen einen entsprechenden Rat geben können, verweisen auch wir auf diese Seite: Solidarität mit Kristina Hänel.

OMAs gegen Rechts unterstützen Kristina Hänel und ihre Mitstreiterinnen. Wir hoffen, dass der Gang zum Bundesverfassungsgericht wenigstens diesen § 219 beseitigen hilft. Auch dann ist der Kampf von uns Frauen nicht beendet: „Wir haben in Deutschland, nach Malta und Polen, das restriktivste Abtreibungsgesetz in ganz Europa. Strafgesetzbuch, Beratungspflicht und 3-tägige Wartezeit vor dem Abbruch bestimmen den Ablauf.“ Diese Sätze sprach Christine von Rauch in einer Rede am 19. September 2020 bei der öffentlichen Kundgebung am Pariser Platz in Berlin.  

Es gibt also viel zu tun.

Dr. Hilde von Balluseck

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Die Welt zerfällt in Tatsachen. Elektroakustische Miniatur nach Wittgensteins Tractatus logico philosophicus von Marion Fabian.

(Wir bedanken uns für die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Fotos bei Kristina Hänel und Ahmet Celebi – Fotograf)